Rös’chens Sterbelied.

Das Vöglein zwitschert: Als ich wandern ging,
 Hab' ich ein Mägdlein scheidend hier gegrüßt.
 Wo ist das Mägdlein? Sagt mir's, wenn ihr's wißt,
 Daß ich des Willkomms neuen Gruß ihr sing':
 Und find' ich mir mein süßes Mägdlein nicht,
 So sing' ich diesen ganzen Maitag nicht.
Das Lüftlein flüstert: Als ich hier entschlief,
 Hab' ich das Mägdlein noch zuletzt geküßt.
 Wo ist das Mägdlein? Sagt mir's, wenn ihr's wißt,
 Sie, deren Lieb' mich aus dem Schlummer rief?
 Und find' ich mir mein süßes Mägdlein nicht,
 So weh' ich diesen ganzen Maimond nicht.
Das Blümlein seufzet: Als die Sonn' hier schied,
 hat mich ein Mägdlein zu gut Nacht gegrüßt.
 Wo in das Mägdlein? Sagt mir's, wenn ihr's wißt,
 Denn sie zu schauen bin ich aufgebüht.
 Und find' ich mein süßes Mägdlein nicht,
 So blüh' ich diesen ganzen Sommer nicht.
Das Herzlein weinet: Als ich einst geliebt,
 Liebt' ich ein Mägdlein, dem kein gleiches ist.
 Wo ist das Mägdlein? Sagt mir's, wenn ihr's wißt,
 Um die mein Aug' in Thränenfluth sich trübt.
 Und find' ich mir mein süßes Mägdlein nicht,
 So freu' ich mich mein ganzes Leben nicht.
Die Erde spricht: In meinen Schooß gepflückt
 Hat mir der Tod das Mägdlein, das ihr mißt.
 Ihr habt das süße Mägdlein lang geküßt;
 Er hat's herein zu meinem Kuß entrückt.
 Ihr sucht im Reich des Lichts, und findet's nicht;
 Ich hab's im Arm, und lass' es ewig nicht.
Wollt ihr denn sein beim süßen Mägdlein hier?
 Und wollt ihr's küssen, wie ihr's sonst geküßt?
 Ihr Lieben kommt, kühl nnd geräumig ist
 Mein Schooß, o kommt, und ruhet still bei ihr.
 Das Mägdlein schläft; wollt ihr denn schlafen nicht?
 Ich schläfr' euch ein, und wek' euch ewig nicht.