Sonnengruß.

Wann mein Liebchen mit dem schlanken
 Wuchse meinem Grab sich naht,
 Wird Cypressenschatten wanken,
 Wo ich schlummre, früh und spat.
Eh' um mich die Schatten sprießen,
 Die kein Sonnenblick durchbricht,
 Will ich die Cypress' umschließen,
 Die um's Haupt sich Rosen flicht.
Durch den Himmel geht die Sonne,
 Rufet eh’ in's Meer sie taucht:
 Leuchten wollt' ich dir zur Wonne;
 Wie hast du mein Licht gebraucht?
Morgen werd' ich wiederkommen.
 Und mein Licht ist ewig jung,
 Doch für dich umsonst erglommen
 Wenn du schläfst in Dämmerung.
Heb' in meinem letzten Strahle
 Noch einmal den Becher hoch.
 Glücklich wer die volle Schale
 Hat am Mund, und durstet noch.
Kannst du trinken, kannst du lieben,
 Thu's nicht morgen, thu es heut.
 Gutes Werk auf morgen schieben,
 Hat schon mancher Thor bereut.
Nicht Verlorenes beschwöre,
 Nutze deinen Augenblick,
 Laß der Zukunft ihre Flöre,
 Und bereite dein Geschick.
Sprich ein Wort zu guter Stunde,
 Daß die Zeit hinüber schwebt,
 Zeugend in der Nachwelt Munde,
 Daß du hast und wie gelebt.

Anmerkungen

Flöre

Kurzform für: Trauerflor

siehe auch Duden