Der Geist, wenn er im Mai

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Der Geist, wenn er im Mai vom Winterfroste
 Die frische Blüthenknospe sieht gepflücket,
 Fühlt fich von einer dunkeln Hand bedrücket,
 Er fühlt, wie wenig ihr ein Leben koste.

Doch wenn er gar der Jugend feste Pfoste,
 Von der Natur mit Lust und Kraft geschmücket,
 Von ihr, der Schöpf'rin, sorglos sieht zerstücket;
 Kehrt er in Unmuth gar sich ab vom Troste.

Er schauert, daß auch Menschen sind wie Blüthen;
 Er möchte mit der übermächtigen schmollen,
 Die so sich selbst zerstört mit blindem Wüthen.

Dann läßt er seine nicht'gen Thränen rollen,
 Um, wie er kann, das Unrecht zu vergüten,
 Und seufzt: du starbst, du hättest leben sollen!