Die deutsche Stadt.

Eine deutsche Stadt möcht' ich erbauen,
 Unter Himmel, einem ewig blauen,
 Rings von einem Frühlingshain umschlossen,
 Und von einem stillen Strom beflossen;
 Mittelpunkt von einem weiten Reiche,
 Nabe eines Rads von mancher Speiche,
 Sounenbrennpunkt, welcher seiner Strahle
 Lebensregung strömt' in alle Thale.
 Alles Leben seinen Kreislauf haltend,
 Planetarisch ruhig sich entfaltend,
 Aus der Mitte nach dem Umkreis fließend,
 Aus dem Umkreis sich zur Mitt' ergießend.
 Rings im Lande müßte Friede wohnen,
 In der Hauptstadt Fürst, der höchste, thronen,
 In sich dar des Volkes Spitze stellend,
 Sich die besten seines Volks gesellend,
 Wachend, daß vom großen bis zum kleinen,
 Jedes leb' im grossen Allgemeinen,
 Jedes Glied sich freudig schließ' an's Ganze,
 Jedes stolz sich fühl' ein Blatt im Kranze;
 Von dem Thron ausströmend Lust und Segen,
 Wie vom Himmel Sonnenschein und Regen,
 Daß die Fluren jauchzten und die Hürden,
 Arbeit singend trüge ihre Bürden,
 Wie die Bienen ihren Fleiß zur Zelle,
 Jeder jedem fördernder Geselle.
 Gleich dem Strome lächelnd helle Mienen.
 Heiter wie der Himmel über ihnen,
 Spiegel der Zufriedenheit die Züge,
 Freiheit, Ordnung, Wohlbehagen, Gnüge;
 Daß der Pflüger nicht bei seinen Garben,
 Hirt bei seinen Herden müßte darben,
 Winzer durften nicht bei feinen Reben,
 Sondern jeder lebte sich ein Leben.
 Kommen würden dann die frommen Künste,
 Und aus's Leben wenden ihre Brünste,
 Nicht unmuthig ihren Strahl verschließen,
 Blumen gleich, die es verdrießt zu sprießen.
 Nahen würden sie den städt'schen Schwellen,
 Auf den Markt und um den Thron sich stellen,
 Jeden einzelnen mit Lust entzückend,
 Und zumeist das Allgemeine schmückend.
 Nicht die Weisheit, die in Schulen brütet,
 Nicht Gelahrtheit, die den Moder hütet,
 Eines frohen Volkes klare Augen
 Würden ihnen nur zu Richtern taugen.
 Fühlend sich von ihrem Volk gehoben,
 Heben würden sie ihr Volk nach oben.
 Neue Tempel würden auferstehen,
 Die Musik drin auf zum Himmel gehen.
 Im Palaste brennend Farbenfeuer
 Machte hi1nmlisch irdisches Gemäuer.
 Und die Dichter, wie die Nachtigallen,
 Würden nicht in Wäldern sich gefallen,
 Würden kommen zu der Stadt, und wohnen
 In den Gärten, in den Laubeskronen.
 Nicht in's Reich der Phantasien verschlagen,
 Sondern von der Wirklichkeit getragen,
 Nicht in alle Himmelstriche schwärmend,
 Sich an vaterländ'scher Sonn' erwärmend,
 Nicht im Bücherlabyrinth verirret,
 Vom Geschrei der Thoren unverwirret,
 Setzend ihre Kunst an Hirngespinnste,
 Lesender Zerstreuung zum Gewinnste,
 Ueberreizte Nerven überreizend,
 Nach dem Lächeln stumpfer Sinne geizend,
 Der Entmannung schlaffe Muskeln kitzelnd,
 Heil'gen- oder Ritterbilder schnitzelnd:
 Nicht ein ekles Spiel für Müßiggänger,
 Singen würden ihrem Volk die Sänger.
 Einer würd' herab von trag'schen Bühnen
 Weltgeschick und Heldentod versühnen.
 Einer leicht den kom'schen Spiegel heben,
 Drin zu sehn das Volk dem Volke geben.
 Einer möchte seines Liedes Aeste
 Wölben über des Palastes Feste.
 Und ich wollte durch die Straßen schreiten,
 Trunken, unter Rebenlaub die Saiten,
 Stehen bleiben, da wo Becher klängen,
 Und mich in des Festes Mitte drängen,
 Singen, wie Hafisens Geist mich triebe,
 Frühling, Jugend, Rosen, Wein und Liebe.
 Wie die Sonne kreiste rings der Becher,
 Und wie Monde leuchteten die Zecher.
 Vor die Thore kommt die Stadt, zu lauschen,
 Sich am Lied, am Weinduft, zu berauschen.
 Und ein Lied, das Freimund so gesungen,
 Geht durch's Reich,und lebt auf allen Zungen.
 Jetzo, solchen Liedersporn vermissend,
 Wo das Reich liegt und die Stadt, nicht wissend,
 Hab' ich einsam, was ich schrieb', geschrieben,
 Für mich selbst und wen'ge, die mich lieben.