Die Hungerjahre (2)

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Zu Stuttgart im Jahr tausend achthundert siebenzehn
 Hat man erzählt ein Wunder, wie keines je geschehn.
 Zu Tübingen, wo blühet die Universität,
 Hat es sich zugetragen, wie's hier geschrieben steht:
Ein Weib kam mit drei Kindern in Wochen auf einmal,
 Die sprachen, wie geboren sie wurden, nach der Zahl,
 Das erste: Bauet Scheuern! das zweite: Keller baut!
 Das dritte: Bauet Särge! So furchtbar war der Laut.
So schön klingt: Bauet Scheuern! Das Jahr wird fruchtbar sein.
 So schön auch: Bauet Keller! zum Brot geräth der Wein.
 Was hilft's, wenn „Bauet Särge!“ so dumpf dazwischen klingt,
 Den Doppelerntesegen ein großes Grab verschlingt?
Das war mein Freund, Herr Uhland, als er das Wort vernahm,
 Es dünkt' ihm so bedeutsam, er sprach in finsterm Gram:
 „Und wenn das erst' und zweite nicht wird erfüllet sein,
 So mag um desto sichrer das letzte treffen ein.“
Ich bitte Gott vom Himmel, daß er es anders kehrt,
 Und besser seine Kinder auf ihn vertrauen lehrt;
 Daß er uns lasse Scheuern und lasse Keller baun,
 Und lasse vor den Särgen dahinter uns nicht graun.
Die Scheuern für die Körner, die Keller für den Wein,
 Und soll der Sarg nicht fehlen, so soll ein Sarg es sein,
 Darin der Mensch versarge den Unmuth und den Wahn,
 Daß Brot und Wein uns labe, dem Trauern abgethan.