Die Erscheinung.

Ich wollt' auf hohen Bergen
 In dieser Festnacht stehn,
 Um weitum die aus Särgen
 Erstandne Welt zu sehn.
 Und als ich hatt' erstiegen
 Die höchste Schweizeralp,
 Da sah ich vor mir liegen
 Die Reiche beiderhalb.
Ich konnte links im Dunkeln
 Ganz Frankreich liegen schaun,
 Und rechts ein Freudenfunkeln
 Durch alle deutsche Gaun.
 Zum Himmel sah ich schlagen
 Den allgemeinen Brand,
 Da wollt' ich bei auch tragen
 Dazu mit meiner Hand.
Ich wählt' aus Fichtenschüssen
 Mir einen Fackelbrand,
 Und schwang ihn hoch, zu grüßen
 Mein brennend Vaterland.
 Da trat aus Felsenspalten
 Ein Mann zu mir und sprach,
 Daß mir zum Fackelhalten
 Hinfort der Muth gebrach:
Wohl meinen Namen kennen
 Wirst du aus altem Lied,
 Wenn ich mich werde nennen,
 Ich bin Struth Winkelried,
 Der Struth, der einen Drachen
 In diesem Land einst schlug,
 Der viel zuvor der Schwachen
 In seinem Rachen trug.
Ich aber war der Starke,
 Von Gottes Kraft geweiht,
 Durch welchen diese Marke
 Vom Drachen ward befreit.
 Anstatt dafür zu loben
 Den Herrn mit stillem Sinn,
 Hab ich mich überhoben,
 Mir selb zum Ungewinn
Das Schwert, das blutbefleckte,
 Das Schwert, mit welchem ich
 Den Drachen todt hin streckte,
 Hoch schwang ich's über mich,
 Davon auf's Haupt vom Schwerte
 Ein Tropfen Bluts mir fiel;
 Viel Tropfen trank die Erde,
 Der eine war zuviel.
Der Tropfen von dem Schwerte,
 Geschwungen ohne Noth,
 Er streckte mich zur Erde,
 Er brachte mir den Tod.
 Seitdem hat Gott zum Wächter
 Mich in der Nacht bestellt,
 Wenn irdische Geschlechter
 Ein gleicher Siegsmuth schwell.
Ich seh', daß einen Drachen
 Ihr auch erschlagen habt,
 Nachdem ihr seinem Rachen
 Lang euch zu fressen gabt.
 Es schwingen eure Hände
 Kein Schwert mit Drachenblut,
 Ihr schwinget Feuerbrände
 In hoher Siegesgluth.
Gebt Gott allein die Ehre,
 Und schwingt nicht stolzen Brand,
 Damit er nicht versehre
 Die siegestrunkne Hand.
 Ist todt das Ungeheuer,
 So strecket ein das Schwert,
 Und schürt des Friedens Feuer
 Daheim am stillen Herd.